Sichere Entnahmerate
· Raphael · Wissen Motivation Rechner
Die sichere Entnahmerate: Ein Schlüsselkonzept für die finanzielle Unabhängigkeit
Finanzielle Unabhängigkeit ist ein Ziel, das viele Menschen anstreben. Ob im Ruhestand oder durch früheres Sparen erreicht, stellt sich die Frage: Wie viel Geld kann man monatlich oder jährlich aus seinem Vermögen entnehmen, ohne Gefahr zu laufen, dass das Geld vorzeitig ausgeht? Hier kommt das Konzept der sicheren Entnahmerate (engl. Safe Withdrawal Rate, SWR) ins Spiel. Es ist ein zentrales Thema für alle, die ihr Vermögen langfristig erhalten möchten und gleichzeitig regelmäßige Ausgaben decken müssen.
Was ist die sichere Entnahmerate?
Die sichere Entnahmerate bezieht sich auf den Prozentsatz des Vermögens, den man jährlich entnehmen kann, ohne dass das Kapital über einen längeren Zeitraum – typischerweise 30 Jahre oder mehr – aufgebraucht wird. Die bekannteste und am häufigsten zitierte sichere Entnahmerate ist 4 %. Diese Zahl geht auf die sogenannte Trinity-Studie aus den 1990er Jahren zurück, die historische Renditen von Aktien und Anleihen analysierte. Die Studie kam zu dem Schluss, dass eine jährliche Entnahme von 4 % des Anfangsvermögens, angepasst an die Inflation, in den meisten Fällen über 30 Jahre hinweg sicher ist.
Warum ist die 4 %-Regel so populär?
Die 4 %-Regel ist ein einfacher und praktischer Ansatz, um die finanzielle Planung zu vereinfachen. Sie bietet eine klare Richtlinie für Menschen, die ihr Vermögen langfristig verwalten möchten. Angenommen, Sie haben ein Vermögen von 1 Million Euro. Nach der 4 %-Regel könnten Sie jährlich 40.000 Euro entnehmen, ohne dass Ihr Vermögen innerhalb von 30 Jahren aufgebraucht wird. Diese Entnahme wird jedes Jahr um die Inflationsrate erhöht, um die Kaufkraft zu erhalten.
Faktoren, die die sichere Entnahmerate beeinflussen
Obwohl die 4 %-Regel ein guter Ausgangspunkt ist, gibt es mehrere Faktoren, die die tatsächliche sichere Entnahmerate beeinflussen können:
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Marktvolatilität: Die Renditen von Aktien und Anleihen schwanken im Laufe der Zeit. In Zeiten von Bärenmärkten oder wirtschaftlichen Krisen kann eine zu hohe Entnahmerate das Vermögen schneller schrumpfen lassen. Gerade die Rendite der ersten Jahre beeinflusst den Verlauf oft extrem.
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Inflationsrate: Eine hohe Inflation kann die Kaufkraft der Entnahmen verringern. Daher ist es wichtig, die Entnahmen an die Inflation anzupassen.
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Lebensdauer: Die 4 %-Regel basiert auf einem Zeitraum von 30 Jahren. Wenn Sie jedoch länger leben oder früher in Rente gehen, müssen Sie möglicherweise eine niedrigere Entnahmerate wählen.
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Steuern und Gebühren: Steuern und Verwaltungsgebühren können die tatsächliche Rendite Ihres Vermögens verringern. Diese Faktoren sollten bei der Berechnung der sicheren Entnahmerate berücksichtigt werden.
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Anlagestrategie: Die Zusammensetzung Ihres Portfolios spielt eine entscheidende Rolle. Ein Portfolio mit einem höheren Aktienanteil hat historisch gesehen höhere Renditen erzielt, ist aber auch volatiler. Ein konservativeres Portfolio mit mehr Anleihen bietet mehr Stabilität, aber möglicherweise niedrigere Renditen.
Kritik an der 4 %-Regel
Obwohl die 4 %-Regel weit verbreitet ist, gibt es auch Kritikpunkte. Einige Experten argumentieren, dass die Regel in Zeiten niedriger Zinsen oder hoher Marktvolatilität nicht mehr zuverlässig ist. Studien haben gezeigt, dass in bestimmten Szenarien – beispielsweise bei einem schlechten Marktstart („Sequence of Returns Risk“) – eine 4 %-Entnahmerate zu einem vorzeitigen Vermögensverlust führen kann.
Als Reaktion darauf schlagen einige Finanzplaner vor, die Entnahmerate auf 3 % oder 3,5 % zu senken, um mehr Sicherheit zu gewährleisten. Andere empfehlen flexible Entnahmestrategien, bei denen die Entnahmen in schlechten Marktphasen reduziert werden, um das Vermögen zu schonen. Es ist natürlich auch eine Kombination denkbar.
Flexible Entnahmestrategien
Eine flexible Entnahmestrategie passt die Entnahmen an die aktuellen Marktbedingungen an. Zum Beispiel könnten Sie in Jahren mit hohen Renditen mehr entnehmen und in Jahren mit schlechten Renditen weniger. Diese Methode erfordert jedoch eine aktive Verwaltung und eine gewisse Disziplin, um nicht übermäßig viel in guten Jahren auszugeben.
Fazit
Die sichere Entnahmerate ist ein wichtiges Konzept für jeden, der sein Vermögen langfristig erhalten und gleichzeitig regelmäßige Ausgaben decken möchte. Die 4 %-Regel bietet eine einfache und praktische Richtlinie, ist jedoch kein universelles Gesetz. Individuelle Faktoren wie Marktbedingungen, Lebensdauer und Anlagestrategie müssen berücksichtigt werden. Letztendlich ist es ratsam, die Entnahmerate regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, um finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit zu gewährleisten.
Für eine fundierte Planung ist es oft sinnvoll, einen Finanzberater hinzuzuziehen, der auf Ihre persönliche Situation eingehen und eine maßgeschneiderte Strategie entwickeln kann. Denn finanzielle Unabhängigkeit ist nicht nur eine Frage der Zahlen, sondern auch der klugen und flexiblen Planung.
Simulation Entnahmerate
Die vorbelegten Werte basieren auf historischen Marktdaten. Die durchschnittliche Rendite und die Varianz basieren auf dem S&P 500 Index. Der maximale jährliche Drawdown basiert auf dem schlechtesten Kalenderjahr des S&P 500 Index (1931, -47.07%). Die Entnahmerate ist eine allgemeine Richtlinie. Bitte passen Sie diese Werte entsprechend Ihrer persönlichen finanziellen Situation, Ihren Investitionen und Zielen an.